Die Fahrkarte im Zug der Zeit
35 Jahre Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) – das ist auch die Geschichte des Ticketings. Eine Geschichte, an der sich immense Entwicklungen nachvollziehen lassen. Im folgenden Text blicken wir zurück auf die Anfänge der ÖPNV-Tickets, machen eine aktuelle Bestandsaufnahme und wagen einen Blick in die Zukunft.
Von der Papierlösung zum Chip
Alles begann mit einer Fahrkarte. Karte deshalb, weil der Fahrschein aus Karton bestand. Den klassischen Papierfahrschein kaufte der Fahrgast persönlich beim Schaffner oder am Schalter. Weitere Papiertickets – etwa Streifenkarten – kamen im Laufe der Zeit hinzu.
In den 1960ern wurden mit Einführung von Entwertern neue Wege beschritten. Der Umgang mit dem im Volksmund „eiserner Schaffner“ genannten Gerät erwies sich für einige Fahrgäste als Herausforderung. Mit der späteren Einführung von Ticketautomaten schritt die „Selbstabfertigung“ weiter voran. Heute ist die Bedienung dank intuitiver Menüführung trotz gewachsenen Ticketsortiments ungleich komfortabler als früher.
Auch die Ticketprüfung hat sich im Laufe der Zeit verändert. Wurde in der Vergangenheit der Papierfahrschein noch mit einer Lochzange entwertet, scannt das Fahr- und Prüfpersonal heute mit modernen Prüfgeräten digitale Fahrscheine über den Barcode des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV).
Mit der Einführung der Chipkarte etablierte sich im VRS ab 2003 ein neues Trägermedium. Die Verkehrsverbünde und -unternehmen forderten in den Folgejahren deutschlandweite Branchenstandards für die Trägerkarte. Diese regelt heute die VDV-Kernapplikation.
Seit der Gründung des VRS im September 1987 wurden einheitliche Regeln zum Vertrieb und Verkauf von Tickets für die im VRS zusammengeschlossenen Verkehrsunternehmen geschaffen. Damit Papierfahrscheine oder Chipkarten nicht manipuliert werden können, sorgt der VRS-Fachbereich Vertrieb dafür, dass Tickets fälschungssicher sind, einheitliche Ticket- und Sicherheitsmerkmale besitzen und von allen Prüfgeräten im Verbundgebiet erkannt und akzeptiert werden.
Deutschlandweite Branchenstandards
Im Jahr 2007 wurde mit der Entwicklung der VDV Kernapplikation (Kurzform: VDV-KA) ein deutschlandweiter Daten- und Schnittstellen-Standard für das Elektronisches Fahrgeldmanagement im Öffentlichen Personenverkehr eingeführt. Es handelt sich um das technologische Herzstück des elektronischen Fahrkartensystems (((eTicket Deutschland.
Digitalisierung steht heute im Mittelpunkt der Entwicklung
Mit der Einführung des Internetvertriebs konnten seit Juli 2005 die Kundinnen und Kunden eigenständig das sogenannte OnlineTicket buchen, als PDF-Datei herunterladen und ausdrucken. Ein Anstehen im Kundencenter war seit dieser Entwicklung nicht mehr notwendig. Die Verkehrsunternehmen im VRS haben sich dafür entschieden, gemeinschaftlich einen OnlineTicket-Shop zu beschaffen, der seit 2010 durch die Rhein-Sieg-Verkehrsgesellschaft (RSVG) betrieben wird.
Das Handy revolutionierte nicht nur die Kommunikation zwischen den Menschen, sondern auch viele andere Lebensbereiche. In den 2000er Jahren wurde mit dem Aufkommen der ersten Handys ein sogenanntes „SMS-Ticket“ als Fahrtberechtigung an den Kunden gesendet. Der Vertrieb von HandyTickets erfolgte dann ab April 2007 über das System HandyTicket Deutschland per SMS. Mit der Einführung der VRS gebrandeten HandyTicket-Deutschland-App in 2010, wurde eine erste reine Ticket-App für die Nutzer im VRS geschaffen. Im Januar 2019 wurde mit der Produktivsetzung des VRS Onlinevertriebssystems (OVS) das Ende der Teilnahme am HandyTicket Deutschland eingeläutet. Für ihren Verbundraum schufen die VRS-Verkehrsunternehmen somit ein eigenes System, welches sukzessive weiterentwickelt und ausgebaut wird und stellvertretend für alle VRS-Verkehrsunternehmen über die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) betrieben wird. Im Dezember 2021 wurde das VRS OVS um den landesweiten eTarif erweitert, der mit der VRS eezy.nrw-App genutzt werden kann. Mittlerweile sind über 800.000 Nutzer*innen im System registriert.
Smartphones mit multifunktionalen Apps, in denen heute der digitale Fahrschein gekauft wird, sind nicht nur kleine Ticketautomaten in der Hand- oder Hosentasche, sondern wahre Alleskönner. Apps bieten den Kundinnen und Kunden neben einer Fahrplanauskunft mit Echtzeitdaten und weiterer Dienste auch eine große Auswahl an verschiedenen Tarifprodukten der Ticketpalette. Auch das benötigte passende Kleingeld hat ausgedient. Die Bezahlung des Tickets erfolgt bargeldlos per Kreditkarte oder inzwischen auch über Apple Pay, Google Pay, PayPal oder Amazon Pay in der App. Weitere Funktionen, wie die Ticketbuchung für die 1. Klasse, die Mitnahme des Fahrrades und weiterer Fahrgäste, machen die Buchung immer komfortabler.
Der „digitale Fahrschein“ liegt voll im Trend.
Durch die voranschreitende Digitalisierung wird sich zukünftig der Anteil an digitalen Tickets weiter erhöhen. Das zeigen die Verkaufszahlen der HandyTickets im VRS im Jahre 2022 (Stand 31. Mai 2022). Noch nie seit Start des Onlinevertriebssystems wurden in den ersten fünf Monaten eines Jahres so viele Handytickets verkauft – über 4,4 Millionen Tickets, was einem Umsatz von rund 22 Millionen Euro entspricht. In einigen Segmenten, z.B. beim 24StundenTicket, werden schon fast die Hälfte aller Tickets über das Smartphone gekauft. Wie ein HandyTicket funktioniert, erfahren Sie hier.
Durch die Einführung eines Luftlinientarifs und eines ersten verbundweiten Pilotprojekts zum elektronischen Tarif (eTarif) im Jahr 2019 war es möglich, ein vereinfachtes Tarifierungsmodell auf den Weg zu bringen. Die Fahrgäste checken sich nach erfolgter Registrierung über eine Handy-App ein und nach Ende ihrer Fahrt wieder aus. Die Fahrtermittlung und -berechnung erledigt die App nach Abschluss der Fahrt automatisch. Detaillierte Tarifkenntnisse benötigen die Fahrgäste hierdurch nicht mehr. Unter dem Markennamen eezy VRS wurde der eTarif am 01. Dezember 2021 in den Regeltarif überführt. Bis Ende Juli 2022 haben die Fahrgäste bereits 134.000 Fahrten mit der VRS eezy.nrw -App unternommen.
Zukünftig werden die technischen Systeme in der Lage sein, ohne eine aktive Handlung des Fahrgasts auszukommen. Mit einem Be-in/Be-out-System müssen die Kundinnen und Kunden weder beim Ein- noch beim Ausstieg den Button/Slider bewegen. Bus- und Bahnhaltstellen sowie die angetretene und beendet Fahrt werden dann per GPS automatisch erkannt.
Übrigens: Die Idee eines Check-in/Check-out-Systems ist nicht neu.
Bereits 1998/1999 gab es hier einen ersten Vorstoß, allerdings mit einer Chipkarte. Mit dem sogenannten „i-Ti-Projekt“ (intelligentes Ticket) konnten auf der Linie 16 und 18 erste Erfahrungen mit einem eTarif gesammelt werden. Der technische Aufwand war damals durch die notwendige Installation von Validatoren in den Stadtbahnen sehr hoch. Mit den heute zur Verfügung stehenden technischen Voraussetzungen sind Check-in und Check-out per App und GPS möglich.
Und die Zukunft? Wohin die Reise gehen könnte.
Zukünftig spielt die vernetzte Mobilität die entscheidende Rolle. Der Fahrgast wird alle notwendigen Bausteine während seiner Reise aus einer Hand erhalten. Multimodale Angebote wie Carsharing, Bikesharing, On-Demand-Verkehre oder E-Scooter werden schon heute stufenweise in die Systeme integriert. Der Fahrgast wird nicht mehr verschiedene Accounts in verschiedenen Apps verwalten müssen. Über ein sogenanntes ID-Ticketing oder auch Account-Based-Ticketing genannt, wird er sich mit einer Identität in verschieden Nutzermedien identifizieren können.
Auch die Systeme, technischen Anforderungen und Standards werden in der Zukunft Schritt halten müssen. So arbeitet die Branche bereits jetzt an der Migration der zukünftigen VDV-Kernapplikation 3.0, auch (((etiCORE genannt. Auch die Einführung des kopiersicheren VDV-Barcodes „Motics“ (Mobile Ticketing Crypto Service) befindet sich mit einer ersten Ausbaustufe in der Planung- und teilweise schon in der Umsetzungsphase.
Im Jahre 2031 wird die Migration zu (((etiCORE endgültig abgeschlossen sein.
(((etiCORE wird stark vereinfacht. Für alle Beteiligten erleichtert sich die Handhabung und die Komplexität reduziert sich. Die bisherige VDV-Kernapplikation wurde seinerzeit in deutscher Sprache programmiert. Mit der Umstellung auf (((etiCORE wird Englisch die Programmiersprache und die Kernapplikation in der internationalen Welt der IT heimisch, denn nur so können weltweit Expert*innen daran weiterarbeiten.