Das geteilte Rad kommt überall ins Rollen
Ein Erfolgsmodell verbreitet sich im Rheinland: Mit dem Rhein-Erft-Kreis setzt ein weiterer großer Landkreis seit Spätsommer 2022 auf ein Mietsystem mit Fahrrädern, E-Bikes und E-Lastenrädern, um multimodales Mobilitätsverhalten zu erleichtern und den ÖPNV gerade auf der ersten und der letzten Meile zum Zielort zu ergänzen. Die Koordinierungsstelle Rheinland des Zukunftsnetz Mobilität NRW hat maßgeblich zum Start von "mobic" beigetragen, indem es den Strategie- und Umsetzungsprozess begleitet und unterstützt hat.
Inspiriert von Kommune zu Kommune
Das markante Orange der Mieträder im Rhein-Erft-Kreis fällt sofort ins Auge. Diese Farbe ist das Erkennungszeichen von "mobic", dem Fahrradmietsystem, das hier seit Spätsommer 2022 seinen Beitrag zu einer besser vernetzen Mobilität leistet. Diese Räder stehen allen zur Verfügung. Besonders interessant sind sie aber für die Bus- und Bahnpendlerinnen und –pendler, die ein VRS-Abo haben und für die Nutzung einen deutlich reduzierten Preis zahlen oder unter bestimmten Bedingungen sogar kostenlos fahren. Damit werden die Räder ein Zubringer zum ÖPNV, und die Kompatibilität der verschiedenen Systeme unterstützt Wegeketten auch über die kommunalen Grenzen hinweg.
Der jüngste Zuwachs setzt eine Entwicklung fort, die 2015 in Köln mit dem System der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) ihren Anfang nahm. Hier waren die Nutzungszahlen von Anfang an hoch, sodass das Modell viele weitere Kreise und Städte im Rheinland motivierte, ähnliche Systeme zu planen und einzuführen. Mit dem Start im Rhein-Erft-Kreis gibt nun in fast allen kreisfreien Städten und Kreisen des VRS-Verbundgebiets ein Fahrradmietsystem oder zumindest sehr weit fortgeschrittene Planungen dazu.
"Ein flächendeckendes Fahrradmietsystem bietet gerade außerhalb der Großstädte eine umweltschonende und preiswerte Alternative für kurze und mittlere Distanzen und ist eine ideale Ergänzung für den ÖPNV."
Ein Ausbau in Stufen
Für die Wirtschaftlichkeit von Fahrradmietsystemen ist entscheidend, dass die Fahrräder dort stationiert sind, wo sie auch nachgefragt werden. Deswegen folgt der Aufbau und Ausbau von "mobic" einem Stufenplan, der mit Stationen an zentralen Orten beginnt und dann Erweiterungen vorsieht, sobald ein möglichst flächendeckender Service erreicht wird. Jede Kommune kann selbst entscheiden, wo die optimalen Standorte für die Stationen sind. Bedburg, Bergheim, Erftstadt, Frechen, Kerpen und Pulheim haben 2022 den Anfang mit ersten Stationen gemacht, ab 2023 werden Wesseling und eventuell auch Elsdorf folgen. Die Zahl der Stationen und Räder wird nach und nach erhöht, das Angebot um E-Bikes und perspektivisch um E-Lastenräder erweitert.
Zahl der Räder und Stationen | IST (Start 2022) | SOLL (geplanter Maximal-Ausbau) | |
Fahrräder | 317 | 680 | |
E-Bikes | 12 | 114 | |
E-Lastenräder | 0 | 30 | |
feste Stationen | 1 | 2 | |
E-Ladestationen | 2 | 31 | |
virtuelle Stationen | 66 | 132 |
Das Zukunftsnetz Mobilität NRW als strategischer Partner
Bei der Planung und Umsetzung des Fahrradmietsystems profitierte der Rhein-Erft-Kreis von der Erfahrung und den Instrumenten der Beraterinnen und Berater im Zukunftsnetz Mobilität NRW. Diese kompetente Unterstützung ermöglichte es, dass in kürzester Zeit ein kreisweites System umgesetzt werden konnte. Zwischen den ersten, noch sehr vagen Gesprächen im Sommer 2020 und dem Start des Systems im September 2022 vergingen gerade einmal gut zwei Jahre – inklusive aller Ausschreibungs- und Planungsprozesse.
Die Koordinierungsstelle Rheinland des Zukunftsnetz, die ihren Sitz beim VRS hat, trug auf vielfältige Weise dazu bei, die Suche nach einer Lösung voranzutreiben. Dazu gehörte etwa die Vorstellung von "Good Cases" aus ganz Deutschland, zahlreiche Workshops mit Kreis, Kommunen und anderen Akteur*innen sowie die klare Empfehlung, das System kreisweit anzulegen und die Rhein-Erft-Verkehrsgesellschaft (REVG) als lokales Verkehrsunternehmen mit der Durchführung zu beauftragen. Der wohl wichtigste Beitrag war ein zentrales Strategiepapier für die Einführung des kreisweiten Fahrradmietsystems im Rhein-Sieg-Kreis, das Zukunftsnetz und Nahverkehr Rheinland (NVR) maßgeblich gestaltet haben. Der Rhein-Sieg-Kreis hatte einige Monate zuvor ein kreisweites Fahrradmietsystem in seinem rechtsrheinischen Gebiet eingeführt.
Die Erfahrungen konnten mithilfe des Strategiepapiers mehr oder weniger „1 zu 1“ auf den Rhein-Erft-Kreis übertragen werden. Dieser hat dann ebenfalls ein solches Strategiepapier – wiederum mit Unterstützung des Zukunftsnetz – erstellt.
Die Schritte wurden ähnlich strukturiert, außerdem initiierte das Zukunftsnetz einen direkten Erfahrungsaustausch zwischen beiden Kreisen. Anfang Januar 2021 nahmen an einem Abstimmungstermin nicht nur die Vertreter*innen der Fachverwaltungen aus allen zehn Kommunen des Kreises, von REVG, Zukunftsnetz und NVR teil, sondern als Gast auch eine Vertreterin des Rhein-Sieg-Kreises, die über ihre Erfahrungen berichtete und gute Ratschläge zur Gestaltung des Prozesses gab.
"Die kurze Realisierungszeit zeigt, wie gut der Wissenstransfer zwischen den Kreisen funktioniert hat. Das freut uns sehr."
Das lokale Verkehrsunternehmen als zentrale Stütze
Die Planung und Umsetzung des Systems im Rhein-Erft-Kreis folgte einer Aufgabenteilung, die sich in anderen Kommunen bereits sehr bewährt hat. Die Verwaltung übernahm die Vorplanungen und die Gestaltung der Rahmenbedingungen, als Organisatorin für das System wurde mit der REVG das kommunale Verkehrsunternehmen beauftragt. Dadurch werden die kreisweite Bündelung aller Aufgaben und die optimale Einbindung der Mieträder in den ÖPNV gewährleistet, weil etwa die Stationen über die Auskunfts-App der REVG zu finden sind. Dadurch wird aber auch die Rolle der REVG als integrierte Mobilitätsdienstleisterin gestärkt. In einer europaweiten Ausschreibung im April 2022 traf die REVG die Entscheidung, die nextbike GmbH mit dem Betrieb des Systems zu beauftragen, die bereits seit 2004 derartige Lösungen anbietet und mittlerweile über 300 Kommunen in 20 Ländern betreut – darunter auch die bisher bestehenden Mietsysteme im Rheinland.
Erfolgsfaktoren für Fahrradmietsysteme
- Geschäftsgebiet mit dichter und gemischter Nutzung
- dichtes Stationsnetz mit ausreichend Fahrrädern
- gute Anbindung der Standorte an den ÖPNV (Mobilstationen)
- hohes Nutzungspotenzial durch Standorte in den Zentren
- reduzierte Tarife für ÖPNV-Abonnent*innen
- Nutzung von Abo-eTicket oder ÖPNV-App als Zugangsmedium
- Integration in die VRS-Fahrplanauskunft (in Vorbereitung)
- einheitliche Nutzungsbedingungen im gesamten Kreisgebiet
- kommunenübergreifende Nutzungsmöglichkeiten im Kreisgebiet